Mit Gummistiefeln unter den tropfenden Bäumen stapfen und jedes pilzartige Gewächs mit dem großen Staunen des Frühsommers betrachten. Ein Feuersalamander quert den Weg und verschwindet unter der Wurzel einer Buche. Wir müssen weiter zum Mischwald, dort wo auch Fichten wachsen, wollen wir die ersten Eierschwammerl (Pfifferlinge) des Jahres ernten. Mein Sohn im Regenponcho läuft mir voraus, weil er grundsätzlich immer Erster ist. Die gelben Schätze im Korb sind beinahe etwas Heiliges und werden sorgsam im Wald gesäubert und vorsichtig nach Hause getragen. Auf dem Rückweg dürfen die ersten Walderdbeeren, die tapfer auch in halbreifem Zustand gegessen werden, nicht fehlen.
Juni – die Fülle des Sommers lässt sich langsam erahnen: Gewitter und schwül dampfende Wälder unterbrochen von kühlen Tagen und hochsommerlichen Phasen. Zur Sommersonnenwende in der Abenddämmerung am Waldrand in einem Meer aus Glühwürmchen stehen und fühlen, wie das Herz verzaubert schneller schlägt. Wieder Kind werden und mit den Lichtern tanzen.
Das Rad des Jahres dreht sich
Nickomo Clarke (freie deutsche Übersetzung eines Liedtextes)
Und das Sonnwendfeuer hebt sich
Komm und bring dich ein
Nimm die Glut mit heim
Und entzünde deines Herzens Sehnsucht
Eierschwammerlgröst‘l
Wichtigste Ingredienz sind natürlich die Eierschwammerl/Pfifferlinge (Cantharellus cibarius). Die kleinen gelben Pilze sind leicht bestimmbar und höchstens mit dem eher orangefarbenen Falschen Pfifferling (Hygrophoropsis aurantiaca) verwechselbar. Ein Irrtum wird (wenn nur einige „falsche“ Exemplare im Korb landen) meist gar nicht bemerkt. Allein verzehrt schmeckt der Falsche Pfifferling nicht besonders gut und in größeren Mengen kann er Magen-Darm-Beschwerden verursachen.
- 6 mittelgroße Kartoffeln
- Speck
- 1 Knoblauchzehe
- 1 kleiner Bund Quendel oder Thymian, Giersch, ...
- 2 Hand voll Eierschwammerl
- Salz, Pfeffer, Gemüsebrühe
Zubereitung
Die Pfifferlinge werden gereinigt (je nach Vorliebe nur mit dem Pinsel oder kurz unter fließendem Wasser) und in mundgerechte Stücke geschnitten. Knoblauch und Kräuter fein hacken, Speck in Streifen oder Würfel schneiden, Kartoffeln schälen und klein würfeln. Den Speck in einer beschichteten Pfanne auslassen, Knoblauch, Pilze, Kartoffeln beigeben und bei mittlerer Hitze unter mehrmaligem Umrühren weiterrösten. Je nach Fettgehalt des Specks und Wassergehalts der restlichen Zutaten kann es nötig sein, nochmals etwas Öl oder Wasser anzugießen, bis die Kartoffelwürfel gar sind. Zuletzt sollte die Pilzpfanne mit den Kräutern und den Gewürzen abgeschmeckt und nochmals kurz trocken geröstet werden. Gut zu diesem Gericht passen: ein kräftiges Brot, grüner Salat und/oder ein Spiegelei. In einer weiteren herrlichen Variante werden die Kartoffeln weggelassen und nach dem Verkochen der Pilzflüssigkeit gekochter Reis untergemengt.
Die Waldkiefer
Stell dir vor, du stehst inmitten eines lichten Kiefernwaldes. Der Duft warm und herzöffnend. Am Boden das Grün der Heidelbeerbüsche, knorrig verdrehte Äste, Moose und Flechten. Wenn du dein Herz nicht mehr spürst, die Traurigkeit wie ein schwerer Stein kalt in deiner Brust ruht, setz dich zu Füßen einer Waldkiefer (Pinus sylvestris). Tränen dürfen fließen und Gefühle wahrgenommen werden. Sie umfängt dich liebevoll und beginnt, das Alte zu lösen ...
Die Kiefer ist, abgesehen von ihrem sanften Wesen und der in der Mai-Kolumne beschriebenen kulinarischen Genussmöglichkeiten, ein vielseitiger Baum und mit meiner Heimat, dem Mühlviertel (Oberösterreich), eng verbunden. Eine alte Tradition, die beinahe in Vergessenheit geraten wäre, findet nun wieder einen ungeahnten Aufschwung: das Pechölbrennen. Mittlerweile wurde es zum immateriellen Unesco-Kulturerbe erklärt.
Es ist die Zeit um die Sommersonnenwende, wo das sogenannte Heilsam erzeugt wurde und nun oftmals auch wieder wird. Noch jetzt zeugen in vielen Gemeinden meiner Region sogenannte Pechölsteine von dieser Arbeit, deren Ursprung möglicherweise bis ins frühe Mittelalter zurückreichen. Auf leicht geneigten, flachen Steinen wurde die Form eines Blattes eingemeißelt. Darauf wird der Meiler errichtet. Harzreiche Kieferscheite werden pyramidenförmig darauf geschlichtet, darüber kommt meist etwas Fichtenreisig und zum Abschluss Grassoden mit der grasbewachsenen Seite nach Innen. Wenige Luftlöcher ermöglichen nach dem Entzünden des Meilers ein langsames Dahinglosen. Es dauert an die zwei Stunden, bis sich durch diese trockene Destillation das Pechöl bildet, entlang der Blattadern zum Blattstiel läuft und dort aufgefangen wird. Der Überlieferung nach wirkt es nur dann, wenn es geschenkt wurde, die Heilsamverkäufer waren aber immer gerne gesehene Besucher. Das schwarze, stark riechende Öl kann in Salben eingearbeitet werden und wird bei Ekzemen und Bronchialleiden verwendet, bzw. traditionell auch bei Geschwüren und Entzündungen in der Tierheilkunde gebraucht – es wirkt desinfizierend und heilend.
Kiefernzapfenlikör
Auch im Juni darf uns ein Likörrezept begleiten – überraschend einfach und doch intensiv im Geschmack. Zumindest alle Liebhaber des Zirbenschnapsaromas sollten hier auf ihre Kosten kommen. Beim Ernten der jungen, noch grünen Zapfen sollte man nach Kiefern am Waldrand Ausschau halten – hier reichen die Äste oft tief herab und man kann bequem ernten.
Zutaten
- 2 Liter Kornschnaps (38 %)
- Ca. 500 g Kandiszucker
- 3 – 4 noch grüne Zapfen der Waldkiefer
Zubereitung
Die Kiefernzapfen werden im Ganzen oder mit einem Keramikmesser aufgeschnitten und in ein Ansatzgefäß gegeben. Kandiszucker beigeben und mit Kornschnaps aufgießen. 6 Wochen darf diese Mischung bei Zimmertemperatur im Halbschatten stehenbleiben, gelegentliches Aufschütteln verstärkt das Aroma. Der Likör wird nach den 6 Wochen abgeseiht und abgeschmeckt. Wie bereits im April erwähnt, können mit destilliertem Wasser die Schärfe des Alkohols und die Süße reduziert werden. Mit weiterem Kornschnaps, Läuterzucker oder erneutem Ansetzen mit Kandiszucker kann man sich zu seinem favorisierten Geschmack hinarbeiten. Zucker lässt Aromen auf natürliche Weise noch besser zur Geltung kommen und da Liköre ja nur zu Genuss- oder Heilzwecken getrunken werden, darf es schon etwas süßer sein. Der Kiefernzapfenlikör ist nicht nur ein herrliches Beispiel für Aromen aus dem Wald, er wirkt auch positiv bei Bronchialerkrankungen.
Walderleben
Beim Streifen durch die Wälder begegnen uns im Juni gehäuft wunderschön blühende Giftpflanzen. In einer Welt der vermeintlich totalen Sicherheit wurde es uns anerzogen, um eben Jene einen großen Bogen zu machen, oder – ein noch viel bedenklicher Trend – der ganzen Natur skeptisch gegenüberzustehen. Ein Teil meiner Arbeit ist es, die Menschen wieder vorsichtig und vor allem spielerisch in den Wald zu führen, der Entfremdung entgegenzuwirken. Giftpflanzen „sicher“ erforschen? Nichts leichter als das. Lass dich nieder zwischen Fingerhut, Tollkirsche oder Faulbaum und lege deinen Fokus einmal nur auf die wertfreie Betrachtung. Eine Pflanze kann man nicht im Vorübergehen erfahren. Nimm dir Zeit und nimm sie wahr – ihre Farben, Formen, ihren Duft, ihre tierischen Besucher, ihre Pflanzennachbarn, mögliche Sympathie oder Antipathie, die in dir entsteht. Vielleicht beantwortet sie alleine durch ihr Sein Fragen aus deinem Alltag. Wenn du dich noch tiefer hinein spürst und dein Denken frei machst, kannst du sogar mit der Pflanze kommunizieren. Das ist nichts Außergewöhnliches. Du startest einen Dialog in deinem Denken und wartest einfach auf die Antwort, die mit etwas Übung sehr schnell präsent wird. Du traust der Sache nicht? Es ist dir als Kind gesagt worden, dass „Selbstgespräche“ Hirngespinste sind? Frage nach einer Zeit des wachsamen Beobachtens nach der Wirkung der Pflanze und vergleiche die Antwort dann später mit den Beschreibungen aus der Literatur – ich habe auf diese Weise schon viele Übereinstimmungen erlebt. Wenn dir das Bestimmen von Pflanzen Schwierigkeiten bereitet, stell dir jemand Erfahrenen an die Seite.
Manchmal kann uns bei Pflanzen auch ein richtiges Aha-Erlebnis überkommen, vergleichbar mit dem Ausgleich von disharmonischen Seelenzuständen nach Dr. Bach. Die Herstellung von Bachblüten nach der Sonnenmethode ist keine große Hexerei und kann natürlich nach eigener Intuition abgeändert oder erweitert werden. Eine Blüte oder ein Pflanzenteil wird dazu in eine Glasschale mit frischem Quellwasser gelegt und in der Sonne drei bis vier Stunden stehen gelassen. Bei Giftpflanzen kann man das Wasser kurz über die Blüte perlen lassen oder die Schale mit dem Wasser neben das Gewächs stellen. Die Information, der Augenblick einer Erkenntnis geht in das Wasser über und wird nach dem Abseihen mit ⅔ Kornschnaps (38%) haltbar gemacht und in ein Pipettenfläschchen gefüllt. Du kannst deiner persönlichen Blütenessenz ihren eigenen Namen geben und dann in lichtärmeren Zeiten, in Phasen des Vergessens, wenige Tropfen der Essenz zu dir nehmen (ein Tropfen in ein Wasserglas ist dabei oft schon ausreichend), dich zurückerinnern an den achtsamen Augenblick zwischen den Blüten und an die Weisheit aus der Natur.
Was das Walderleben betrifft, möchte ich eine schöne Juni-Erfahrung mit euch teilen. Es liegt schon wieder einige Jahre zurück, dass ich mit meinem Freund im Wald zelten wollte. Vorbildlicherweise sollte man in diesem Fall ja den Grundstücksbesitzer und den zuständigen Jäger um Erlaubnis bitten – hier ein Danke an all jene, die offen für solche Träume und Wünsche nach naturnahen Erfahrungen sind, und zustimmen. Wir standen also mit unserem Zelt in einem lichten Mischwald und fanden auch schnell einen geeigneten, ebenen Zeltplatz. Als wir an die Arbeit des Aufbaus gehen wollten, entdeckten wir versteckt in Moos und Gras ein Dutzend groß gewachsener Eierschwammerl. Die Freude war enorm und der Zeltplatz wurde um einige Meter verlagert. Die Nacht war mit den teils unheimlichen Geräuschen schon etwas gewöhnungsbedürftig und ein laut bellender Rehbock, dem unser Zelt offenbar gar nicht zusagte, jagte mir damals einen ordentlichen Schreck ein. Mein Freund ließ sich im Tiefschlaf durch nichts wecken und ich hatte Bilder von einem auf das Zelt losstürmenden Tier im Kopf. Der Morgen war dann, zugegebenermaßen wenig ausgeschlafen, wieder entspannt, und wir bereiteten uns am Campingkocher Speck mit frischen Pfifferlingen und Holunderblütentee zu. Den Platz verließen wir in Dankbarkeit und in dem Zustand, in dem wir ihn vorgefunden hatten. Solche Momente bleiben unvergessen und können für mich mit keiner inszenierten Darbietung menschlicher Technik mithalten.
Waldwissen
Die pfeffrig schmeckenden Eierschwammerl (Cantharellus cibarius) wachsen unter Laub- und Nadelbäumen, vor allem unter Fichten und Buchen wird man fündig. Stark verdichtete Böden, wie sie durch Maschinen bei der Waldarbeit entstehen und Umweltverschmutzung kann er nicht leiden – mit ein Grund, weshalb er in den Wäldern Deutschlands, aber auch Österreichs immer seltener wird. Gewerbliches Sammeln ist daher verboten. Als Privatperson ist es in Österreich erlaubt, 2 kg Pilze am Tag zu sammeln – vorausgesetzt, der Grundstücksbesitzer hat das Sammeln nicht durch ein Verbotsschild untersagt. Einschränkungen gibt es in Kärnten, wo der Pfifferling wie auch der Steinpilz erst ab 15. Juni gesammelt werden dürfen. In Naturschutzgebieten kann das Sammeln untersagt sein – dies kann man im Internet für das jeweilige Gebiet recherchieren. In Deutschland gilt beim Pilzesammeln nur eine „geringe Menge“ für den „Eigengebrauch“ als zulässig. Dies meint meist die Menge, die für die Zubereitung von 1 – 2 Mahlzeiten benötigt wird.
Macht der Grundstücksbesitzer anhand von Hinweisschildern keinen Gebrauch von seinem Recht auf die Pilze, Beeren und Früchte seines Waldes, duldet er sozusagen die geringe Entnahme durch andere Personen. Das Missachten von Verbotsschildern oder Mengenzulässigkeit wird zivilrechtlich verfolgt und kann je nach Ausmaß eine hohe Geldstrafe bis in den vierstelligen Bereich nach sich ziehen – besonders dann, wenn mit gewerblichem Ziel ganze Waldstücke abgegrast werden.
Sollten die Eierschwammerl auf sich warten lassen oder die Verbotsschilder dein Leben einengen, gibt es zumindest noch einen pflanzlichen Ersatz. Die Blätter des Breitwegerichs (Plantago Major), der vorzugsweise auf verdichteten Waldwegen wächst, schmeckt intensiv nach Pilz. Die mittleren, noch wenig faserigen Blätter der Rosette können Suppen, Salz oder Saucen ein gutes Aroma verleihen, wirken darüber hinaus entzündungshemmend und lindernd bei Husten und Halsschmerzen. Natürlich kann das zeitaufwendige Ernten der kleine Blätter mit der Euphorie der Pilzsuche nicht verglichen werden – aber was macht man nicht alles für die erste Schwammerlsuppe des Jahres?
Es ist Juni – ein Wachsen in der dunstigen Schwüle und der Ausbruch des alljährlichen Pilzfiebers
Literaturverzeichnis
- https://de.wikipedia.org/wiki/Echter_Pfifferling Stand 05.05.2017
- https://de.wikipedia.org/wiki/Falscher_Pfifferling Stand 05.05.2017
- https://www.bmlfuw.gv.at/forst/wald-gesellschaft/verhalten_wald/pilzewald.html Stand 05.05.2107
- https://www.anwalt.de/rechtstipps/pilze-sammeln-was-ist-erlaubt_062512.html Stand 05.05.2017
- http://immaterielleskulturerbe.unesco.at/cgi-bin/unesco/element.pl?eid=97&lang=de Stand 06.05.2017
- https://www.machandelbaum.com/kontakt Stand 09.06.2017
- http://stimmvolk.ch/das-rad-des-jahres-dreht-sich_3_251.html Stand 09.05.2017
- https://de.wikipedia.org/wiki/Bach-Bl%C3%BCtentherapie Stand 09.05.2107
- Hirsch, Siegrid und Grünberger, Felix (2005) Die Kräuter in meinem Garten Linz: Freya Verlag KG
- Strassmann, Renato (2015) Baumheilkunde, Heilkraft, Mythos und Magie der Bäume, Linz: Freya Verlag KG
Bilder
Alle Bilder: Sabine Eilmsteiner